Wiener Meister der Maria von Burgund, in: "Das Stundenbuch des Engelbert von Nassau", 1475-80, Oxford, Bodleian Library, ms. Douce 219-220, fol. 153

Das Ende der Buchmalerei?
Auf den Begriff "trompe l'oeil-Bordüre" hat man sich geeinigt, um damit den von 1480 an vorherrschenden Randschmuck zu bezeichnen. Otto Pächt hat in einem unvergessenen Buch von 1948 ein bemerkenswertes Geschichtsbild entworfen, demzufolge solche Bordüren auf eine letztlich zum Ende der ganzen Disziplin führende Krise der Buchmalerei zurückzuführen seien: Angesichts der Möglichkeiten, durch die illusionistischen Mittel der perspektivischen Verkürzung und der atmosphärischen Farbgebung den Miniaturen selbst ungeheure Tiefe zu geben, hätte sich demnach ein einziger genialer Buchmaler im Dienst der Maria von Burgund daran gemacht, die Fläche der Buchseite durch darauf gestreute Augentäuschung am Rand zu stabilisieren, so dass dann die Fensterwirkung des Bildes neu begründet wäre: Der Farbgrund wäre mit der Buchseite dinglich identisch; davor herrsche die stillebenhafte Illusion von Blume und Insekt, dahinter die Raumillusion der Miniatur.
     
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13