Meister des Getty-Froissart, in: Boccaccio, "Des cas des nobles hommes et femmes malheureux", um 1480, London, BL, Royal ms. 14E.V, fol. 5


Ikonographie und Textbezug des Widmungsbildes

In seinen zahllosen Variationen bleibt das Dedikationsbild doch immer Ausdruck von Autorität und herrschaftlichem Anspruch, in der der auftraggebende Fürst sich präsentiert sehen möchte. Auch dessen Frömmigkeit, Bildung und Güte können in diesem Bildtyp gezeigt werden, indem er betend oder mit Büchern erscheint. Schon weil jenes Buch, das dem Fürsten im Bild überreicht wird, nicht wirklich das Dedikationsexemplar sein kann, wird veranschaulicht, dass das Wesentliche im Inhalt oder in der Idee des Textes besteht, welche jedoch ihre Autorität erst durch die Kodifizierung und die Widmung an den Fürsten erhält.
Das Dedikationsbild ist in der Regel im Buch mit einem bestimmten Text, dem Prolog des Autors/Übersetzers/Kompilators, verbunden und wird wie dieser Text in späteren Abschriften wiederholt. Hier finden sich die Widmung an den Fürsten und der Bericht über den Entstehungskontext des Textes. Die Dedikation ist Illustration dieser Widmung. So erklärt sich, dass das Dedikationsbild in Boccaccios "Des cas des nobles hommes et femmes malheureux" für Eduard IV. von England nicht die Überreichung der Handschrift an den englischen König, sondern jenen Moment zeigt, in dem der vorliegende Text, Laurent de Premierfaits zweite französische Übersetzung aus dem Lateinischen von 1409, an den ursprünglichen Auftraggeber, Johann, Herzog von Berry, übergeben wird. Die englischen Wappen in der Bordüre des Bildes geben den Besitzer der Handschrift an, die Dedikation hingegen den Fürsten, dem die vorliegende Textfassung zu verdanken ist und der deshalb im Bild dargestellt wird.

     
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