Die Rhythmisierung des Lebens im Tages- und Jahreslauf
Das mittelalterliche Stundenbuch ist ein Beispiel für die Einordnung des Menschen in ein System von Zeit. Es richtet das Gebet nach dem Tageslauf, lässt die Frommen vor Sonnenaufgang die Matutin verrichten, unterbricht das Tagwerk in regelmäßigen Abständen zu den festgesetzten Stunden von 6 bis 15 Uhr und hält den Beter an, auch Sonnenuntergang und Einbruch der Nacht zu beachten. Damit gibt es dem Leben einen Rhythmus, der sich zugleich dem Wandel des Jahreslaufes unterwirft, da ja die Tage je nach Jahreszeit unterschiedlich lang sind. Doch nicht nur der einzelne Tag war auf diese Weise von Gebetsübungen bestimmt; denn das ganze Jahr mit dem Wechsel von Sonntag zu den Werktagen und besonders den Festen schuf einen Rahmen, der das normale Leben immer wieder unterbrach und auf ein Höheres ausrichtete. Dabei orientierte man sich zu festen Daten an Geschehnissen der Kindheitsgeschichte Christi von der Verkündigung am 25. März über Weihnachten zu Epiphanias, an Marienfesten von Empfängnis am 8. Dezember und Reinigung am 2. Februar bis zur Himmelfahrt Mariens am 15. August sowie am Gedenken einzelner Heiligen,


deren Feste wie Michaelis am 29. September, Martini am 11. November oder Nikolaustag am 6. Dezember noch heute geläufig sind.
Weitere Fixpunkte boten die beiden ersten Novembertage, die als Allerheiligen und Allerseelen der Gemeinschaft der Heiligen und der Verstorbenen gewidmet waren. Doch nicht nur nach bestimmten Monatstagen richtete man sich; denn alle auf Christi Passion und Auferstehung bezogenen Feste waren am Mondzyklus orientiert, da Ostern seit dem Konzil von Nicaea 325 auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond fiel. Zum Wesen des Heiligen- und Festkalenders gehört es auch, dass nicht jedes Gedenken gleichen Rang hat. So ist der Silvestertag am Jahresende kein Fest, sondern nur ein Gedenken. Für das Zurechtfinden in einem derart von religiösen Festen geprägten Jahreslauf spielte die heute geläufige Monatszählung kaum eine Rolle, da es leichter war, von bestimmten Festtagen zu sprechen und die dazwischen liegenden Tage ab- oder zuzuzählen, so dass man lieber zwei Tage nach Epiphanias als 8. Januar sagte.
     
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