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Entwicklungsgeschichte und Sprache
Schon 1229, lange bevor eine dichte Handschriftenüberlieferung
einsetzt, hatte die Amtskirche Anlass, den Gebrauch dieses Buchtyps
zu reglementieren. Die Synode von Toulouse gestand den Laien zwar
das Marien-Offizium,
den Haupttext des Stundenbuches zu, jedoch nur in lateinischer Sprache.
Dies wird ein wesentlicher Grund dafür sein, dass volkssprachliche
Elemente auch in späteren Jahrhunderten nur ausnahmsweise aufgenommen
wurden. Doch erst allmählich sollte das Stundenbuch den Psalter
als Gebetbuch für Laien verdrängen. Im späten 14. Jh.
setzte sich das Stundenbuch am französischen Königshof -
vor allem bei den Herzögen von Berry und Burgund - in Paris durch.
Von dort aus ließen sich andere Fürsten, bald aber auch
wohlhabende Bürger inspirieren. In Frankreich beherrschte das
Stundenbuch Handschriftenproduktion und Buchdruck des Spätmittelalters
und der Renaissance. Die burgundischen Länder, Oberitalien und
England folgten. In Spanien entstanden zwar auch Stundenbücher,
die kostbarsten importierte man jedoch aus Flandern. |
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Der Buchdruck hat sich zwar erst recht spät
des Stundenbuches angenommen; doch seit den 1480er Jahren entstanden
vor allem in Paris und Lyon zahllose Ausgaben, die aufwendig mit gedruckten
Bildern geschmückt sind und zu den prächtigsten Werken des
Frühdrucks gehören. Die dominierende Sprache war in ganz
Westeuropa das Lateinische, wenn auch gern durch einzelne volkssprachliche
Gebete oder wenigstens Rubriken ergänzt. Nur in den nördlichen
Niederlanden und den angrenzenden niederrheinischen Gebieten triumphierten
Übersetzungen. Allein in Holland hielt man sich, unter dem Einfluss
Geert Grootes und der Devotio
moderna, nicht an den Vorrang des Lateinischen. Niederländische
und niederdeutsche Fassungen waren auch am Niederrhein bis Köln
beliebt. In Deutschland spielte das Stundenbuch sonst kaum eine Rolle.
Man bevorzugte fast ausschließlich deutschsprachige Gebetbücher
ohne Stundeneinteilung. Deutsche Fürsten, die ein Stundenbuch
besaßen, erhielten es in der Regel während ihrer Aufenthalte
in Burgund. |
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