 |

 |
Meister der Margarete von York/Umfeld,
in: Stundenbuch für den Gebrauch von Rom, um 1480, Berlin,
Privatbesitz, fol. 13v |
|
 |
Die Horen des Heiligen Kreuzes
Die gereimten Kapitel der kurzen Horen zu Ehren
von Hl. Kreuz bieten, anders als beim später noch zu behandelnden
Marien-Offizium, eine Erzählfolge. Für die Tagesstunden
des Kreuzes - ohne Laudes - boten sich sogar konkrete Bezüge
zu dem Geschehen an, das die Verse schildern, wurde doch der Erlöser
- wie die Evangelien berichten - zur Nachtzeit auf dem Ölberg
gefangen, zur Prim den Richtern vorgeführt, zur Sext gekreuzigt,
um zur Non seinen Geist dem Vater anzuempfehlen. Die Vesper ist unlösbar
mit der Kreuzabnahme verbunden, und die Grablegung in die dunkle Felsenhöhle
ist zugleich Symbol für den Einbruch der Nacht, also die Stunde
der Komplet.
Doch eine derartig konkrete Erzählfolge im Text muss bei einem
Handschriftentyp wie dem Stundenbuch nicht viel bedeuten, weil die
Zuordnung von Bildern vom Aufwand des Auftrages und der allgemeinen
Gestaltung des Bandes mehr abhing, als von der Bildhaftigkeit des
Textes. Deshalb beschränken sich die meisten Exemplare auf ein
einzelnes Bild, das in aller Regel das Kreuz zum Inhalt hat.
Da ausführliche Passionszyklen zu den seltenen Illustrationen
der Stundenbücher gehören - es gibt meist nur in sehr bilderreichen
Handschriften mehr als die Kreuzigung, soweit es sich nicht um Werke
ausgesprochen lokaler Eigenart handelt -, sind sie den Malern nicht
in gleicher Weise vertraut gewesen wie Marienzyklen, die den Grundbestand
fast eines jeden Stundenbuches bilden. Die Vorlage für Passionsszenen
erhält deshalb wegen der ungewöhnlicheren Aufgabe größeres
Gewicht. Sammlungen von Entwürfen älterer Maler blieben
wertvolles Gut, das über Generationen verwendet wurde.
|
 |