Meister des Raphael de Mercatellis, in: Cicero, "De inventione rhetoricae" Gent, 1480, UB, ms. 10, fol. 80v


Die Sonderstellung der Bibliothek des Raphael de Mercatellis
Auch wenn Rapahel de Mercatellis in seiner Leidenschaft für Bücher sicherlich dem Vorbild seines Vaters folgte, unterscheidet sich seine Sammlung radikal von den Beständen der burgundischen Herzöge und ihres höfischen Umfelds. Während der Hof historische, literarische und moralisierende Texte in französischer Sprache in Auftrag gab, sammelte Mercatellis prunkvolle, aber weniger dicht illustrierte, humanistische, klassische und gelehrte Texte in Latein. Zudem wurden die meisten seiner Traktate oder Abhandlungen auf der Grundlage älterer Druckfassungen transkribiert.
Seine Interessen waren breit angelegt. Bücher zu Theologie und Kirchenrecht entsprechen denen hoher kirchlicher Würdenträger der Zeit. Von vorhumanistischem Interesse zeugen Texte von Aristoteles, Virgil, Terenz, Seneca und Juvenal, vor allem aber die Schriften der Humanisten Lorenzo Valla und Marsilio Ficino. Hinzu kommen philosophische und moralistische Abhandlungen klassischer und neuerer Autoren sowie wissenschaftliche Werke über Mythologie, Astrologie, Astronomie, Mathematik, Medizin und Musik. Einige sind äußerst selten, wenn nicht sogar nur über Exemplare bei Mercatellis bekannt. Der Eigenart der Bücher entspricht mitunter ein komplexes Layout mit umfangreichen Marginalglossen. Wie die Texte, so orientieren sich auch die häufig ganzseitigen Bilder an den gedruckten Vorlagen. Da jedoch nicht alle Drucke illustriert waren, mussten die Maler Geschick in der Entwicklung neuer Bildvokabeln beweisen, was ihre Arbeiten zumindest in ikonographischer Hinsicht außerordentlich interessant macht. Stilistisch gehörten die "Meister des Raphael de Mercatellis" nicht zur höchsten Elite ihrer Zeit.

     
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