Meister der Margarete von York, in: Heinrich Seuse, "Horloge de Sapience", 1470-80,Paris, BN, ms. fr. 455, fol. 9

Gruuthuse und die Sammlung des burgundischen Herzogs

Betrachtet man die thematische Zusammensetzung von Gruuthuses Bibliothek, muss die Nähe zu den Werken der herzoglichen Sammlung auffallen. Nur fünf Titel waren bei Gruuthuse nicht vertreten, und nicht in jedem Fall ist von einem Primat des herzoglichen Bestandes auszugehen. Mitunter konnte auch ein Buch von Gruuthuse für das Exemplar des Herzogs als Vorlage dienen. Wie dort überwiegen, abgesehen von einigen wenigen niederländischen Werken, französischsprachige Texte; und wie bei Philipp dem Guten galt das Hauptinteresse bei zeitgenössischen Handschriften den historischen Texten. So machen Chroniken ein Fünftel der Sammlung aus. Besondere Vorliebe scheint Gruuthuse für die Geschichte der klassischen Antike gehegt zu haben.
Insgesamt wird ein sehr breites Spektrum abgedeckt: Liturgische Handschriften, Heiligenlegenden, Andachtsbücher und Werke zur Mystik, moralisierende Texte, sowie verschiedenste didaktische Werke und pädagogische Lebenshilfen, unter anderem auch Anleitungen zum aristokratischen Lebenswandel wie Jagd oder Turnierbücher. Das "Livre des Tournois" des René d'Anjou war beispielsweise gleich dreifach in der Sammlung vertreten. Hinzu kommen einige wissenschaftliche Texte sowie populärenzyklopädische Werke. Natürlich durften auch Ritterromane nicht fehlen, die Gruuthuse vor allem in Fassungen aus dem 13. und 14. Jahrhundert besaß. Als Mitglied des Ordens vom Goldenen Vlies verfügte er selbstverständlich auch über einen Großteil der umfangreichen Literatur, die sich um diesen Orden entwickelte. Für Philosophie und Theologie hat sich der Bibliophile wie auch Philipp der Gute nur sporadisch interessiert.
     
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