Willem Vrelant Nachfolge, in: Augustinus, "Méditations", 1470-80, Brüssel, KB, ms. 9297-9303, fol. 5


Literarische Interessen des Großbastards
Bei der Aufteilung der Manuskripte in unterschiedliche Textgattungen fällt auf, dass das mit fünfzehn Handschriften am stärksten vertretene Genre aus Texten mit religiösem oder didaktischem Inhalt besteht. Einen zweiten Schwerpunkt bilden elf historiographische bzw. genealogische Werke. Texte antiker und klassischer Autoren oder solche, die wie die Werke des Kirchenvaters Augustinus im Spätmittelalter als klassisch-antik verstanden wurden, sind in der Bibliothek des Großbastards mit acht Manuskripten vertreten. Sieben weitere Handschriften können der Gruppe profaner oder praktisch orientierter Texte zugeordnet werden. Festzuhalten bleibt schließlich, dass sich, soweit man weiß, in der Bibliothek des Großbastards nur ein Roman mittelalterlicher Tradition befand.
Anton von Burgund stand, wie auch sein Halbbruder Karl der Kühne, als Büchersammler in der Tradition Philipps des Guten. Einige der Texte, die in der Bibliothek des Großbastards in größtenteils illuminierten Abschriften vorlagen, sind dabei im Auftrag seines Vaters oder seines Halbbruders geschrieben, ins Französische übersetzt oder zumindest ihnen gewidmet worden. Für den überwiegenden Teil der im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts in die Bibliothek des Anton von Burgund gelangten Handschriften lassen sich darüber hinaus Gegenstücke in den Sammlungen der Herzöge von Burgund finden. Der Großbastard teilte offensichtlich die Leidenschaft seines Vaters für historiographische Texte, und auch die von Philipp dem Guten ebenso wie von seinem Erben Karl dem Kühnen geförderten Übersetzungen antiker Autoren haben in Antons Bibliothek ihren Niederschlag gefunden. Mithin fällt auf, dass er Philipps Faszination für Romane und Epen mittelalterlicher Inspiration nicht teilte.

     
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