Stundenbuch für den Gebrauch von Paris, um 1480. Ramsen, Schweiz, Antiquariat Bibermühle, fol. 94

Die französische Kompartimentbordüre:
Die regionale Scheidung in flämische und französische Buchmalerei war lange unangefochten; denn unabhängig von den heutigen Grenzen behandelten selbst die großen französischen Forscher wie der Graf Durrieu unabhängig von der Sprache die Buchmaler aus Orten wie Valenciennes als Niederländer. François Avril und Nicole Reynaud haben jedoch mit ihrem Ausstellungskatalog von 1993 Maler wie Simon Marmion ins Französische eingegliedert. Tatsächlich verflüchtigen sich näher besehen manche Grenzziehungen; dennoch meint man an stilistischen Differenzen die Maler in Paris und sogar noch in der Pikardie von jenen leicht unterscheiden zu können, die man in den Niederlanden ansiedelt. Meist gehen solche stilistischen Gegensätze auch mit dem Layout insbesondere von Stundenbüchern zusammen. Wer dem Gegensatz von französischen Kopfminiaturen und niederländischen Doppelseiten aus einem Vollbild auf Verso und dem Textanfang mit monumentaler Initiale nicht traut, hat in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein sehr viel verlässlicheres Indiz im Bordürenschmuck. Zu dieser Zeit nämlich hatte sich in Frankreich eine spezifische Bordürenart durchgesetzt, die man mit dem Abbé Leroquais als Kompartiment-Bordüren bezeichnet: Sie sind durch wechselnde Grundfarbe in verschiedene Felder entweder geometrischen oder auch ornamentalen Zuschnitts geteilt: Auf leer belassenem Pergament erscheint blau-goldener Akanthus; auf mit blassem Pinselgold zugestrichenen Flächen breiten sich Blumenzweige mit stark stilisierten Blüten aus. Flüssig gemalte Grotesken beleben die Felder. Zu den vielfältigen Variationsmöglichkeiten gehört, dass zu den beiden Grundfarben auch andere hinzukommen können, beispielsweise ein purpurnes Rot.
     
1 2 3 4 5 6 7 8