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Die Organisation der Blätter
Meist fügte man die Blätter so zueinander,
dass entweder die raueren Haarseiten oder die feineren Fleischseiten
einander jeweils gegenüberstehen. Da man bei der Arbeitsabnahme
vor dem Binden die Lagen getrennt präsentierte, liegt die Fleischseite
in aller Regel außen; beim Quaternio ist auch die mittlere Doppelseite
folglich von der feineren Qualität.
Bei der Analyse eines Kodex lohnt es sich, auf solche Verhältnisse
zu achten. Viele Handschriften erleichtern die Ermittlung der Lagen
durch Verweiswörter, mit denen die Schreiber den Buchbindern
die Abfolge verdeutlichten. Man spricht von Reklamanten; sie erfassen
auf der letzten Seite einer Lage jeweils das Anfangswort der folgenden
Lage.
Im Mittelalter gab es zuweilen auch bereits das in modernen Zeiten
dominierende System der Lagensignatur, das sich im Buchdruck rasch
durchsetzte; mit ihm wird die Abfolge der Doppelblätter innerhalb
der einzelnen Lage bezeichnet. Wo solche Hilfsmittel fehlen, abgeschnitten
oder getilgt sind, |
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lässt sich am Faden die mittlere Doppelseite
erkennen und von da aus die Lagenstruktur rekonstruieren. Die Beachtung
der mit den Fingerspitzen fühlbaren Unterschiede von Haar- und
Fleischseite ist dabei hilfreich; sie deckt Unregelmäßigkeiten
auf. Für eine vernünftige Einschätzung des erhaltenen
Bestandes empfiehlt sich diese Ermittlung bei jeder Handschrift. Nur
sie lässt Fehlstellen und Brüche in der Konzeption erkennen.
Schreiber arbeiteten grundsätzlich mit Doppelblättern; Buchmaler
haben ihre Beiträge teilweise auf eingeschalteten Einzelblättern
geleistet. Blatträuber haben meist nur Einzelblätter entfernt.
Auch in Regionen mit strengen Regeln - und dazu gehören die burgundischen
Lande ebenso wie Paris - sind die meisten Handschriften nicht durchweg
in einer Lagenstärke gehalten. Die Analyse eines Buchs führt
daher zur Ermittlung alter Zäsuren und somit zur Definition von
Arbeitseinheiten, die zuweilen von getrennten Kräften oder gar
zu unterschiedlicher Zeit erledigt wurden. |
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