Textprobe (Textura) aus dem "Turin-Mailänder Stundenbuch", Turin, Museo Civico, fo. 9v.
Textprobe (Bastarda) aus dem "Breslauer Froissart", Bd. III, Berlin, SPK, Staatsbibliothek, Depot Breslau 1, ms. Rediger 3, fol. 1
  Textura und Bastarda:
Paläographie, die Lehre von der Entwicklungsgeschichte und den historischen Formen der Schrift, ist eine Wissenschaft für sich, der wir in diesem Kurs nicht im Ansatz gerecht werden können. Wir beschränken uns daher auf eine Unterscheidung der beiden wichtigsten Schrifttypen, die uns in französischen und flämischen Handschriften des späten Mittelalters begegnen: Textura nennt man eine gotische Buchschrift, die vor allem durch die Konzentration auf die Mittelzone der Buchstaben auffällt, indem Ober- und Unterlängen zurückgenommen werden. Auf diese Weise entsteht ein sehr einheitliches, geschlossen wirkendes Schriftbild, das durch Haar- und Schattenstriche geprägt ist. Im 15.Jh. wird die Textura vielfach durch Bastarda
 
ersetzt, wozu auch die zunehmende Verwendung von Papier, das für das Schreiben von Textura weniger geeignet ist, beigetragen hat. Für liturgische Texte und Schulbücher wird Textura jedoch weiterhin, bis in den Frühdruck verwendet. Bastarda bezeichnet eine besondere Form der so genannten kursiven Schrift, die sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts entwickelt hat und die zu den am häufigsten gebrauchten Schriftarten des späten Mittelalters gehört. Abgesehen von einer weniger geraden Ausrichtung und stärkeren Ober- und Unterlängen, finden sich in ihr viele Merkmale der Textura wieder. Bekannteste Form ist die burgundische Bastarda, die im 15. Jh. aus der französischen Kanzleikursive stilisiert wurde.