Technische Eigenarten: Der Textspiegel
Die meisten Buchseiten sind auffällig asymmetrisch angelegt, weil man einem einfachen Modul folgte, das die Randbreiten vom Falz innen nach oben, außen und unten kontinuierlich zunehmen ließ, so dass Bordürenschmuck außen und unten den größten Platz fand. Das geradezu klassische Prinzip eines spätmittelalterlichen Layouts ist dabei leicht nachzuvollziehen: Man nehme ein gefalztes Doppelblatt, falte es in einer Diagonale von links unten nach rechts oben, falte dazu das rechte der beiden Blätter vom Falz oben zur rechten unteren Ecke. Auf dieser kleinen Diagonale kann man je nachdem, wie üppig die Randstreifen bemessen werden sollen, einen beliebigen Punkt annehmen, von dem aus eine Horizontale zur Diagonale des Doppelblatts die obere Grenze des Textspiegels und damit auch dessen Breite definiert, während die Senkrechte von der großen zur kleinen Diagonale die äußere Grenzlinie des Textspiegels bestimmt. Ohne Mühe ist diese Konstruktion zum vollen Rechteck nach links unten zu ergänzen. Den Vorgang bezeichnet ein bedeutungsvoller Begriff aus dem Lateinischen: Man spricht von iustificatio, was so viel wie Rechtfertigung heißt. Sie definiert den Textspiegel, der im Französischen, Englischen und Italienischen als justification oder giustificazione seinen lateinischen Namen behalten hat.
     
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