Nach Rogier van der Weyden: Portrait Philipps des Guten, um 1450, Dijon, Musée des Beaux-Arts


Die Bibliothek Philipps des Guten
Bibliophile Interessen verfolgten alle Vertreter des Herzogshauses; unter Philipp dem Guten allerdings blühte das Buchwesen ungemein auf. Das mag sich schon allein darin abzeichnen, dass nach seinem Tode im Jahre 1467 ein gemeinsames Inventar in Brügge, Lille und Brüssel erstellt wurde; es war erst Anfang 1469 fertiggestellt und verlangte mehr Sachverstand als die vorausgehenden. 876 Einheiten werden genannt; sie stellen das Ergebnis eines intensiven Mäzenatentums dar. Keine andere fürstliche Bibliothek Europas ist in jenen Jahrzehnten entsprechend gewachsen; erst 1475 sollte Papst Sixtus IV. die Apostolische Bibliothek des Vatikans gründen; die Medici standen noch lange im Schatten Federigo da Montefeltros in Urbino (1422-1482), und dessen große Zeit setzte erst ein, als Philipp der Gute schon gestorben war.
Den Grundbestand bildeten fraglos die seit den Zeiten Philipps des Kühnen und der Margarete von Flandern gehegten Bücher, die durch Johann Ohnefurcht noch vermehrt wurden. Raubzüge und Konfiskationen waren für Philipp den Guten kein Mittel, seine Bibliothek zu vermehren. Wesentlichen Zuwachs brachten Schenkungen und jene Initiativen des Herzogs, aber sicherlich auch einiger Höflinge, entweder wie mit dem Decameron des Guillebert de Mets ein moderneres Exemplar eines schon vorhandenen Textes zu erhalten oder - und diese Beispiele gibt es in beeindruckend hohen Zahlen - neue Texte anfertigen zu lassen.
An König Karl V. und den Herzog von Berry wenden sich Übersetzer in ihren Vorworten; Philipp der Gute hingegen ist der wichtigste Adressat von Texten, die sich - so sehr sie auch kompiliert sein mögen - als neu darstellen und mit ihren Vorworten an den Herzog wenden.

     
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