Die Rolle Burgunds in den Chroniken
In den zeitlichen Rahmen der Chroniken des Froissart fällt der Aufstieg Philipps des Kühnen seit dessen heldenhafter Rolle in der Schlacht von Poitiers 1356, der darauf folgenden Gefangennahme durch die Engländer und besonders dann die Zeit von der Belehnung mit dem Herzogtum fast bis zu seinem Tode im Jahre 1404. Philipps Einfluss in Paris, kann nicht unterschätzt werden. Frankreichs Annäherung an England, die ihren deutlichsten Ausdruck in der Vermählung Richards II. mit Isabella von Frankreich fand, ist schließlich wesentlich auf den Einfluss des burgundischen Herzogs zurückzuführen.
Die ausführliche Schilderung der flandrischen Unruhen, die Froissart in seinem zweiten Buch vorlegt und aus denen Philipp der Kühne 1385 als Friedensstifter und neuer Graf von Flandern hervorgeht, die Schilderung der Erbstreitigkeiten der Herzogin von Brabant mit dem Herzog von Geldern, in denen es dem burgundischen Herzog schließlich gelang, seinen zweiten Sohn Anton als Erben durchzusetzen, und die Ausführungen über die Verbindung zwischen Bayern und Burgund durch die Doppelhochzeit Wilhelms, des späteren Grafen von Hennegau und Holland, mit Margarete von Burgund und Johann Ohnefurchts mit Margarete, der Tochter Albrechts von Bayern, lassen das Interesse des burgundischen Hofes bereits an Froissarts ersten beiden Büchern verständlich werden.
Die Frieslandexpedition des zukünftigen Grafen von Hennegau und Holland, Wilhelm, war aufgrund der bereits genannten


verwandtschaftlichen Beziehungen zu Burgund ebenfalls von unmittelbarem Interesse.
Der unter dem Kommando seines Großvaters Johann Ohnefurcht durchgeführte Kreuzzug nach Ungarn im Jahre 1396 konnte burgundische Auftraggeber an Kreuzzugspläne des burgundischen Hofes erinnern, zumal solche nach der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1454 enorm an Gewicht gewannen.
Zudem stellt sich die Frage nach dem Verhältnis Burgunds zu England, dessen Geschichte in den Chroniken ein hoher Stellenwert zukommt. Eine Erklärung bietet die von Karl dem Kühnen in Abkehr zur Haltung seines Vaters vorgenommene politische Neuorientierung, die zu einer erneuten Annäherung an England führte und sich schon zu Lebzeiten Philipps des Guten bereits 1466 in einem Handels- und Freundschaftsvertrag mit Eduard IV. und zwei Jahre darauf in der Hochzeit des Herzogs mit der Schwester des Königs, Margarete von York, manifestierte.
Der überwiegende Teil von Froissarts Gönnern gehörte zudem mit Robert von Namur, Johanna und Wenzel von Brabant sowie Albrecht von Bayern Adelshäusern an, deren Territorien unter Philipp dem Guten in den burgundischen Herrschaftsbereich eingegliedert wurden, was den Autor - aus burgundischer Perspektive - zu einem der Ihren machte.
     
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