Meister des Guillebert de Lannoy, in: Guillebert de Lannoy, "Instruction d'un jeune prince", 1460-67, Brüssel, KB, ms. 10976, fol. 10

Belehren und Erinnern
Belehren - Erinnern - Legitimieren. Dies sind die drei wesentlichen Funktionen, denen Geschichtsschreibung zu dienen hatte. Dem Motiv der Erinnerung ist beispielsweise das Aufkommen der Hofhistoriographie zu verdanken, welche in Burgund 1455 mit der Einsetzung George Chastellains erstmals institutionalisiert wurde. Würde und Macht des Fürsten sollten von einem Amtsträger des Hofes für alle Zeiten festgehalten werden.
Dass die Vergangenheit auch als Schule moralischen Verhaltens zu begreifen ist, Geschichte demnach belehren und erziehen sollte, konnten die mittelalterlichen Chronisten bereits bei Cicero nachlesen. Im "Livre de l'instruction d'un jeune prince", welches um 1460 von Philipp dem Guten für seinen Sohn Karl in Auftrag gegeben wurde, ruft der Autor Guillebert de Lannoy entsprechend zum Lesen von Chroniken und Geschichten antiker Helden auf, da diese Modelle für gute Politik seien.
In der Auseinandersetzung mit der Antike muss unterschieden werden zwischen Literatur über die Antike und ihre Helden, und tatsächlich antiker Literatur, die fast ausschließlich über die Vermittlung lateinischer Texte vorlag. Das verbindende Element bleibt die didaktische Funktion, denn bei der Auswahl jener antiken Texte, die - ins Französische übersetzt - Platz in den burgundischen Bibliotheken fanden, fällt eine außerordentliche Vorliebe für Moral, für Lehrtexte, Fürstenspiegel und Ähnliches auf. Der Erfolg der "Facta et dicta memorabilia" von Valerius Maximus ist sicherlich auf dieses Interesse zurückzuführen.
Besonders beliebte Exempla schlechten oder vorbildlichen Verhaltens fand man in den Helden der Trojageschichte aber auch in Alexander dem Großen und Caesar. Sich mit Ihnen zu vergleichen kam zudem einer Heroisierung und Überhöhung der eigenen Herrschaft gleich.
     
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