Meister des Anton von Burgund, in: Valerius Maximus, "Facta et dicta memorabilia", um 1470, Berlin, SPK, Staatsbibliothek, Depot Breslau 2, Bd. 2, fol. 224

Historische Distanz im Bild
Kennzeichnend für die Präsentation der heldenhaften Ahnen ist historische Distanzlosigkeit. Die Ereignisse werden als aktuell, die Zeitgenossen betreffend dargestellt. Die Vergangenheit wird vereinnahmt. Ähnlich verfährt man auch bei der Illustration, die - wenn überhaupt - einer chronologischen Dreiteilung unterworfen ist: Die fernste Vergangenheit wird dann einer Fantasiewelt gleichgesetzt, die alte Zeit zeigt sich in altmodischem Gewand, und die jüngere Geschichte in zeitgenössischer Mode.
Da bei Übersetzungen antiker Texte das Motiv des Belehrens einen besonderen Stellenwert einnahm, kommt deren Bebilderung in der Regel ohne jede historische Distanz aus. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass die historischen Gestalten vollkommen in ihrer Funktion als Exempel aufgehen und damit möglichst nah an die eigene Zeit herangeholt werden mussten. So hat man im Valerius Maximus des Anton von Burgund die moralische Verworfenheit einer Bordellszene nicht antik sondern ganz zeitgenössisch dargestellt: Die breiten Puffärmel, die schmalen Beinkleider und die langen, spitzen Schuhe des Lautenspielers links, sind entsprechen ganz der burgundischen Mode der zweiten Hälfte des 15. Jh.
     
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