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Jean Tavernier, in: David Aubert,
"Chroniques et Conquetes de Charlemagne", 1458-60,
Brüssel, KB, ms. 9068, fol. 96v |
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Legitimation durch Abstammung
Heroisierung und Überhöhung spielen auch
bei der dritten, vielleicht wichtigsten Aufgabe eine Rolle, der sich
die Geschichtsschreibung am burgundischen Hof verpflichtet hatte:
Von alters her war die Historie auch zu Legitimationszwecken genutzt
worden. Die burgundischen Herzöge hatten aufgrund ihres schwierigen
Verhältnisses zur französischen Krone mit ihrem relativ
jungen und zudem sehr heterogenen Territorium das Bedürfnis,
ihre Herrschaftsansprüche zu rechtfertigen und ihren Status als
Vasallen durch Berufung auf eine glanzvolle eigene Geschichte vergessen
zu machen. Bei neu in Auftrag gegebenen Geschichtswerken bestand die
politische Vorgabe daher darin, den eigenen Standpunkt durch Nachweis
des hohen Alters ihres Besitzrechtes oder Anspruchs historisch abzusichern.
Die Geschichtsschreibung wurde Teil einer ausgefeilten Propaganda.
Dazu gehörte auch die Einbindung des Fürsten in eine glorreiche
Abstammungslinie, die Prestige und Autorität des Herrschers überhöhen
sollte. Die Helden der Geschichte wurden in mitunter obskuren Herleitungen
dem eigenen Stammbaum einverleibt. Eine ungebrochene genealogische
Folge und die historische Begründung ihrer Ursprünge sollten
die Kontinuität territorialer Herrschaft verbürgen. Am ehesten
Erfolg versprach die Anbindung an das chronologische Gerüst der
Universalgeschichte. Zu diesem Zweck berief man sich in Burgund wie
auch an fast allen anderen europäischen Höfen der Zeit auf
eine trojanische Sage. Ebenso waren Alexander der Große und
Karl der Große in der prätendierten Abstammung verankert.
Andere ruhmreiche Dynastien wurden zum Zwecke der "Blutserhöhung"
in die eigene eingegliedert. |
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