Meister der Ethik des Aristoteles, in: Aristoteles, "Éthique, Politique et Économique", 1454-55, Rouen, Bibliothèque municipale, ms. 1-2, fol. 145

Die Wirtschaftskraft des Landes:

Solange es der Herzog zudem noch verstand, seinen eigenen Staat, der schließlich von der Rhône bis nach Friesland reichte, in Ordnung zu halten, war er den Nachbarn überlegen. In seinen Gebieten nämlich ballte sich wirtschaftliche Macht und Erfindungsgeist stärker als in den großen Ländern mit ihrer entschiedener agrarischen Struktur.
Natürliche Reichtümer, die hochentwickelten Handel mit aller Welt ermöglichten, bildeten die Grundlage burgundischer Prosperität: Der Wein aus dem Kernland Burgund, Viehzucht und Salz der Freigrafschaft, das Korn Flanderns und die Erzindustrie an der Maas waren die ökonomischen Pfeiler. Am stärksten blühte jedoch die Textilweberei, die von Arras bis Gent eine machtvolle Stadtkultur entfalten ließ. Doch die Wolle mußte man einführen. Wenigstens die Städte waren vom Frieden mit England abhängig; denn von dort erhielt man gegen das Getreide vom Kontinent Wolle für Tuch.
Aus dieser Notwendigkeit entspringt der Grundkonflikt burgundischer Politik: Dynastische Loyalität zur französischen Krone, die seit 1337 in Hundertjährigem Kriege mit England stand, und der wirtschaftliche Zwang, gerade mit dem Erzfeind, der den Valois das Erbrecht bestritt, Handel treiben zu müssen, bestimmen die Winkelzüge der Herzöge.
     
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