Die Lektion "Der Herzogshof und sein Anspruch" ist der Vermittlung der historischen Grundlagen gewidmet. Jene spätmittelalterlichen Prachthandschriften, mit denen wir uns im Verlauf dieses Kurses beschäftigen werden, sind, im Gegensatz zu den Produkten des Buchdrucks, letztlich immer als Einzelstücke zu begreifen. In der Produktion außerordentlich teuer, wurden sie für einen Personenkreis geschaffen, der die politischen und kulturellen Geschicke des burgundischen Territoriums entscheidend bestimmte. Als Meisterwerke hatten die Bücher - mit einem verständigen Publikum rechnend - eine repräsentative Funktion. Den ausgeprägten Anspruch des politischen und kulturellen Gewichtes, mit dem sich der burgundische Hof im Abgleich mit seinen Nachbarn präsentiert sehen wollte, spiegeln sie auf das Deutlichste wieder. Den Besitzern dienten sie als ständige Vergewisserung und Rechtfertigung des eigenen Stellenwertes.
Zunächst müssen die wichtigsten Protagonisten der burgundischen Geschichte, die territoriale Ausdehnung des Gebietes und die politisch außerordentlich brisante Stellung des burgundischen Herzogtums zwischen Frankreich, England und dem römischen Reich deutscher Nation erläutert werden. Das Frontispiz der Chronik von Hennegau bildet dazu den Einstieg, da der herrschaftliche Anspruch der burgundischen Machthaber hier wie kaum ein zweites Mal im Bild zum Ausdruck kommt.
Mit einem Abschnitt zum Orden vom Goldenen Vlies wird eine der wichtigsten Institutionen burgundischer Herrschaft vorgestellt. Für die Auseinandersetzung mit der flämischen Buchkunst ist dieser Orden zudem von spezifischem Interesse, da seine Ideologie eine schier unerschöpfliche Quelle neuer literarischer Werke darstellte und ihm damit ikonographisch auch in den Buchillustrationen ein entscheidendes Gewicht zukommt.