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Rogier van der Weyden,
in: Jaqcues de Guise, "Chroniques de Hainaut", 1447-48,
Brüssel, KB, ms. 9242, fol. 1 |
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Der Anspruch des Dargestellten:
Die Überreichung der französischen Fassung
der Chronik von Hennegau ist als Akt der nachträglichen, gleichsam
symbolischen Eingliederung der Geschichte des annektierten Gebietes
in den umfassenderen Rahmen der burgundischen Historie zu verstehen.
Der Überlieferung zufolge wurde der Hennegau, ebenso wie Brabant,
von den Trojanern gegründet. Die Helden von Geschichte und Untergang
des sagenhaften Troja, Hektor, Herkules und Jason, werden somit zu
legitimen Vorfahren Philipps erkoren. Sein Stammbaum wird aufgewertet.
Dies erscheint zur Zeit der Entstehung der Handschrift zwischen 1447
und 1449 umso wichtiger, da Philipps Träume, ein eigenes Königreich
zu gründen, in Verhandlungen mit Friedrich
III. immer mehr Gestalt annehmen. Die Zeremonie wird von Männern
bezeugt, denen die repräsentative Funktion von Kunst im Allgemeinen,
aber auch des Buches im Besonderen, durch eigene Auftraggeberschaft
geläufig war. Der politische Anspruch, der sich damit verband,
war ihnen sicher bewusst. Unabhängig von einer Identifizierung
im Einzelnen bleibt festzuhalten, dass die Leidenschaft der Bibliophilie
in mehr oder minder großem Ausmaß von zahlreichen Mitgliedern
des Ordens vom Goldenen Vlies geteilt wurde. Auch deren Bücher
sind nicht nur Luxusgut, sondern Ausdruck eines jeweils neu zu definierendem
ideologischen Anspruchs, der mitunter in prächtigen Widmungsbildern
bildlich greifbar wird. Die Handschriften, die im Verlauf dieses Seminars
behandelt werden, sind entweder von ihnen selbst oder von jenen Mitgliedern
des burgundischen Hofes, die ihnen in dieser Leidenschaft folgten,
in Auftrag gegeben worden. |
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