Rogier van der Weyden, in: Jaqcues de Guise, "Chroniques de Hainaut", 1447-48, Brüssel, KB, ms. 9242, fol. 1, Detail

Das Zeremoniell

Die Übergabe des Buches findet in einem profanen herrschaftlichen Innenraum statt. Philipp der Gute, seit dem Tode seines Vaters Johann Ohnefurcht 1419 Herzog des infolge seiner politischen Ambitionen beständig anwachsenden burgundischen Reiches, ist, beinahe den Regeln des goldenen Schnittes gehorchend, als wichtigste Gestalt des Bildes vor einer Thronbank in herrschaftlicher Pose stehend wiedergegeben. Signum seiner Macht ist der kleine Hammer in der rechten Hand. Der in einen prächtigen Einband gebundene Kodex, den der heutige Betrachter, sollte er sich vor dem Original befinden, gerade aufgeschlagen hat, wird dem Herzog hier durch den vor ihm knienden Jean Wauquelin dargebracht.
Die Überreichung der Handschrift wird von einer ganzen Anzahl illustrer Persönlichkeiten des herzoglichen Hofes in respektablem Abstand beobachtet. Das Bild folgt dem zeremoniellen Charakter, den der Anlass der Übergabe eines Buches realiter gebot, dabei wahrscheinlich noch uneingeschränkter, als es die gelebte Etikette am Hofe verlangte: In der bodenlangen "Robe longue", der Tracht der Ratgeber aus Adel, Gelehrten und Geistlichkeit, werden die Herren auf der rechten, besseren Seite des Herzogs (für den Betrachter also links) dargestellt. Die "Robe courte", die kurze, modische Gewandung, die dem Hochadel vorbehalten blieb, gebührt jenen Herren, die links vom Herzog wiedergegeben sind.
     
1 2 3 4 5 6 7